Der Prachtkäfer Agrilus biguttatus (FABRICIUS, 1777)


Text © K. Reißmann, 2010 – Fotos © K. Reißmann, P. Zábranský und C. Benisch




1.   Allgemeines

Die Gattung Agrilus ist in Mitteleuropa und auch in Deutschland mit einer großen Anzahl Arten vertreten, die sich oft sehr ähnlich sind und deren Bestimmung vor allem bei den Weibchen sehr kompliziert ist.

Der Zweigefleckte Eichenprachtkäfer Agrilus biguttatus ist mit bis zu 13 mm die größte Art der Gattung Agrilus in Deutschland und eine der wenigen Arten, die sich verhältnismäßig leicht bestimmen lassen. Verwechselungsmöglichkeiten gibt es hier eigentlich nur mit den beiden Arten Agrilus ater und Agrilus guerini. Allen anderen Arten fehlen die typischen, klar abgegrenzten weißen Schuppenflecken auf Hinterleib und Flügeldecken. Ist eine weiße Behaarung vorhanden, wie z.B. bei Agrilus cinctus, so ist diese oft sehr weitläufig, diffus und bildet keine klaren Flecken und wirkt mit bloßem Auge betrachtet, weil sehr locker gestellt, eher grau.

Agrilus biguttatus, A. ater und A. guerini
Die drei ähnlichen Arten Agrilus biguttatus (A), Agrilus ater (B) und Agrilus guerini (C).
Foto Agrilus guerini © Petr Zábranský, www.zabra.at, Verwendung mit schriftlicher Genehmigung.


Die Unterscheidung der genannten drei Arten ist bei Kenntnis der wesentlichen Merkmale aber vergleichsweise leicht. Bei Agrilus guerini enden die Flügeldeckenenden in zwei deutlich divergierenden, weit ausgezogenen Spitzen. Bei Agrilus ater sind die Flügeldeckenenden zwar in zwei Spitzen ausgezogen, diese sind aber viel kürzer, als bei Agrilus guerini. Bei Agrilus biguttatus schließlich sind die Flügeldeckenenden verrundet. Die Zeichnung der Flügeldecken gibt weitere Hinweise der Artzugehörigkeit. So hat Agrilus guerini insgesamt jeweils drei weiß beschuppte Flecken auf den Flügeldecken. Ein Fleck an der Schulter, einer etwa mittig und einer am Anfang des letzten Drittels, wobei die Abstände zwischen den Flecken weitestgehend gleich sind. Agrilus ater hat ebenfalls jeweils drei weiß beschuppte Flecken auf den Flügeldecken, auch in ähnlicher Position wie bei Agrilus guerini, jedoch ist der Abstand zwischen dem vorderen und mittleren Fleck größer, als der Abstand zwischen mittlerem und hinterem Fleck. Agrilus biguttatus schließlich hat lediglich einen weiß beschuppten Fleck etwa im Übergang vom Ende des zweiten zum Anfang des dritten Drittels. Alle anderen Schuppenflecken liegen nicht auf den Flügeldecken.

Agrilus biguttatus Die Gattung Agrilus ist mit etwa 2500 Arten über die ganze Welt verbreitet. Aus Mitteleuropa werden etwa 40 Arten gemeldet. Die Larven aller mitteleuropäischen Arten entwickeln sich in Laubhölzern.



2.   Verbreitung

Agrilus biguttatatus auffliegend Agrilus biguttatus Verbreitung Europa Das Verbreitungsareal von Agrilus biguttatus erstreckt sich vom Osten von Südrussland, Kaukasus, Persien und Kleinasien bis in den Südwesten nach Nordostspanien, nördlichstes Portugal und in Nordwestafrika. Im Norden geht das Areal bis nach Norwegen und Schweden. In Spanien, Portugal und Nordwestafrika ist die Art nur sehr inselartig verbreitet, ebenso in Norwegen. In Schweden wird nur der äußerste Süden besiedelt. Hier ist sie aber überall vertreten, wo die Nahrungspflanze vorhanden ist. In Deutschland ist Agrilus biguttatus überall vorhanden. Im Gebirge findet man sie innerhalb Europas bis auf etwa 1000 m ü. NN (südliches Europa). In Deutschland ist sie nach SCHAEFER bis etwa 500 m regelmäßig, oberhalb 500 m bis 700 m nur noch vereinzelt und oberhalb 700 m nur noch äußerst selten anzutreffen.



3.   Entwicklung

Die Entwicklung von Agrilus biguttatus findet in erster Linie in Eiche (Quercus sp.) statt. In Deutschland sind das vor allem Stieleiche (Quercus robur) und Traubeneiche (Quercus petraea). Für Südeuropa werden noch Flaumeiche (Quercus pubescens), Stecheiche (Quercus ilex), Zerreiche (Quercus cerris) und Korkeiche (Quercus suber) genannt. Weitere Arten, in denen die Entwicklung erfolgt, sind Buche (Fagus sylvatica), Edelkastanie (Castanea sativa) und ein einziges mal von BÜCHE aus Deutschland dokumentiert, Flatterulme (Ulmus laevis).

Larve von Agrilus biguttatus Die Eiablage erfolgt in kleinen Gelegen von ca. sechs Stück an Stämmen und dicken Ästen (mindestens 12 cm im Durchmesser). Die meisten Agrilus-Arten fertigen eine Schutzhülle für das Gelege an. Von Agrilus biguttatus ist diese bisher nicht bekannt. Es ist aber sehr gut möglich, dass auch diese Art eine Schutzhülle produziert. Die Larven dringen nach dem Schlupf in die innere Rinde ein und verursachen in Bast und Kambium einen kleinen Platzfraß, der sich nachträglich mit Flüssigkeit füllt. Von hieraus führen fünf bis sieben Larvengänge sternförmig weg. Die Larven fressen zwischen Bast und Splintholz und vollführen im Laufe der Entwicklungsphase typische Gänge, die zickzackförmig verlaufen. Bei starkem Befall können diese zickzackförmig verlaufenden Gänge zu einer teilweisen oder kompletten Ringelung führen und Äste oder den Baum zum Absterben bringen. Die ausgewachsene Larve dringt zur Verpuppung in die Rinde ein und fertigt hier die Puppenkammer an. Dann bereitet die Larve den Ausschlupf vor, in dem sie einen Gang nach außen anfertigt und am Ende dieses Ganges eine dünne Rindenschicht von maximal 5 mm stehen lässt. Die Larve überwintert und verpuppt sich erst im Frühjahr. Die Puppenruhe dauert etwa 14 Tage. Ab Mai bis in den August kann man die Käfer im Freien finden.

Die Entwicklungszeit beträgt in der Regel ein Jahr. In ungünstigen Fällen kann sie auch zwei Jahre betragen.



4.   Lebensweise

Nach dem Schlupf führen die Käfer einen Reifefraß durch, bei dem sie in geringer Menge Eichenlaub in der Krone benagen. Sie sitzen bei sonnigem und warmem Wetter auf den Brutbäumen, auf dem Stamm oder auf den Blättern, zuweilen auch auf Bäumen oder Sträuchern der näheren Umgebung um die Brutbäume, auf frisch eingeschlagenem Holz und auf frischen Baumstümpfen und deren Stockausschlägen. Auf Blüten kann man die Käfer nicht finden. Sie können sehr gut fliegen und auf diese Weise neue Brutbäume erreichen und besiedeln. Ihre Lebensdauer beträgt etwa drei Wochen.

Agrilus-Eiche vom Specht bearbeitet Agrilus biguttatus gilt als Forstschädling, weil er die von ihm befallenen Bäume entweder direkt durch seine Tätigkeit oder indirekt, weil er Pilzen den Weg bereitet, zum Absterben bringt. Genutzt werden können aber nur Bäume, die bereits eine Vorschädigung aufweisen, also primär bereits geschädigt sind und nun von Agrilus biguttatus sekundär geschädigt werden. Gesunde Bäume reagieren auf die Fraßtätigkeit der Larven mit unregelmäßiger Holzbildung (Callusbildung), Rindenabbrüchen und schließlich mit Schleimfluss in die Fraßgänge, aufgrund dessen die Larven absterben. Die Gänge wachsen zwar zu, sind aber noch Jahre später aufgrund der dunkleren Färbung der befallenen Bereiche erkennbar. Agrilus biguttatus ist dem zu Folge ein Sekundärschädling, der Bäume zum Absterben bringt, die ohne sein Wirken möglicherweise überlebt hätten. Er wird aufgrund der Tatsache, dass er sich nur in geschwächten Bäumen entwickeln kann, wie viele andere xylobionte und phytophage Käferarten als "Schwächeparasit" bezeichnet. Unter normalen Bedingungen, wie man sie in Deutschland in der Regel antrifft, ist Agrilus biguttatus bezüglich Schäden unbedeutend. Er kann aber in warmen und trockenen Jahren, vor allem wenn davon mehrere hintereinander auftreten, auch in Deutschland nennenswerte Schäden verursachen. So hat im Bienwald in Rheinland-Pfalz der Kahlfraß in den Jahren 1993, 1994 und 1995 durch den Schwammspinner (Lymantria dispar), verbunden mit trocken-warmen Sommern, zu einer starken Vermehrung von Agrilus biguttatus geführt und entsprechend zu einer stark gehäuften Schädigung der Eichen.

Die erfolgreiche Suche nach Agrilus biguttatus zeigt auch einen der wenigen bekannten Prädatoren von Agrilus biguttatus auf. Spechte lösen die obersten Rindenschuppen ab ohne dabei das Kambium zu beschädigen, um an die in der Puppenwiege überwinternde Larve, oder im Frühjahr an die Puppen zu kommen. Die so bearbeiteten Stämme und Äste zeigen ein sehr typisches Bild, aufgrund dessen der Befall durch Agrilus biguttatus auf weite Entfernung erkennbar wird.

Als weiterer Prädator wird der Ameisenbuntkäfer (Cleridae) - Thanasimus formicarius genannt. Außerdem kennt man noch eine Schlupfwespe (Ichneumonidae) - Dolichomitus imperator - und zwei Brackwespen (Braconidae) - Atanycolus sculpturatus und Doryctes rex, welche die Larven von Agrilus biguttatus parasitieren.



5.   Gefährdung

Agrilus biguttatus ist überall in Deutschland aktuell nachgewiesen und meist häufig. Auch die Entwicklungspflanze (Eiche) ist alles andere als gefährdet, so dass die Rote Liste der Bundesrepublik Deutschland (1998) die Art nicht ausweist und auch keinerlei Gefährdung zu erkennen oder zu erwarten ist. Der Gesetzgeber hat zwar die Käfer der Familie Buprestidae insgesamt unter Schutz gestellt, hier jedoch Agrilus biguttatus als eine der Ausnahmen von diesem Schutzstatus angeführt.



6.   Quellen

Literatur:
  1. BRECHTEL, F, KOSTENBADER, H. (Hrsg.) et al. (2002): Die Pracht- und Hirschkäfer Baden-Württembergs, Ulmer Verlag
  2. CHATENET, du G. (2000): Coleopteres phytophages d'Europe, Familie Buprestidae, S. 127 ff.
  3. HARDE, K. W. (1979) in FREUDE, H., HARDE, K. W., LOHSE, G. A.: Die Käfer Mitteleuropas, Band 6, Diversicornia, S. 204 ff.
  4. NIEHUIS, M. (2004): Die Prachtkäfer in Rheinland-Pfalz und im Saarland, GNOR-Eigenverlag